Die schwäbische Version des „Französischen Modells“
Seit 2003 geht auch die Baden-Württembergische Hauptstadt Stuttgart den „französischen" Weg - nicht aus Finanznot wie andere deutsche Kommunen, sondern aus voller ideologischer Überzeugung. 2003 verkauft OB Dr. Wolfgang Schuster in Übereinstimmung mit allen Ratsfraktionen die Trinkwasser-, Strom und Gasversorgung mit schwäbischer Gründlichkeit zu 100% - allerdings mit einer nach französischem Muster auf 2013 befristeten Betreiberlizenz. (Diese Einschränkung dient dem OB über viele Jahre als „Beleg" für seine wiederholte Behauptung, die Stuttgarter Wasserversorgung sei noch immer kommunal). Käufer sind die EnBW, der drittgrößte deutsche Energieversorger. Kommunale Zweckverbände aus Baden-Württemberg halten an ihm zwar die knappe Mehrheit, 50,64%. In bekannter Manier obliegt die Geschäftsführung aber dem Minderheitseigner EdF (Electricité de France). Der französische Energieriese, der 58 Atommeiler betreibt und sich gerade von 2 leitenden Managern trennt, weil sie Greenpeace u.a. bespitzelt und unterwandert haben, ist an Wasser nicht interessiert. Ihm geht es allein um die Wahrung und den Ausbau seiner Position im Energiemarkt. Deshalb hat EDF von Neuerwerbungen früher oder später die Wassersparte stets an Veolia abgetreten. Und das nicht zufällig. EDF ist der fünftgrößte Anteilseigner von Veolia Environnement (Gesamt). Außerdem hält der Konzern 34% der Anteile an der Energiesparte Veolias "Veolia Energy". 
Der strategische Partner Veolias will seit jeher die Aktienmehrheit bei EnBW. 2005 ist EDF damit vorerst gescheitert und begnügt sich seither mit 45,1% und der Geschäftsführung. Doch das Gerangel um den Energiemarkt geht weiter. EnBW, die Nr.3 in Deutschland, hat jetzt z.B. den Einstieg bei der Nr.5, der EWE AG, vereinbart - die Genehmigung des Kartellamts steht noch aus. Welche dieser Vorstöße auch erfolgreich sein werden. Die Electricité de France wird sich nur mit Expansion begnügen. Und das heißt auf jeden Fall, dass die kommunalen Zweckverbände aus Baden-Württemberg ihre Mehrheit in der EnBW verlieren und das Stuttgarter Wasser in andere Hände geraten kann. Hinzu kommt, dass nun auch die kommunalen Zweckverbände (Bodensee ZV und Landes ZV), die das Stuttgarter Wasser fördern und liefern, in Gefahr geraten. Dadurch dass seit der Privatisierung die EnBW auch an den Zweckverbänden beteiligt ist, müssen sie ihre Dienste künftig nach EU-Recht europaweit ausschreiben.

Diese Perspektive schreckt selbst die einst so privatisierungsfreundliche SPD-Mehrheitsfraktion im Gemeinderat auf. Die kommende Kommunalwahl im Auge fordert sie die Rekommunalisierung der - „eigentlich noch kommunalen" - Stuttgarter Wasserversorgung. Und OB Dr. Wolfgang Schuster verkündet: EnBW sei auch verhandlungsbereit. Mittlerweile ist das Ergebnis der Vorverhandlungen bekannt. An der wieder gegründeten Stuttgarter Wasserversorgung sollen Stadt und EnBW zu je 50% beteiligt sein. Für die Rückgabe der Anteile an den Zweckverbänden, die EnBW 2003 als kostenlose Beigabe erhaltenen hatte, bekommt der Konzern 80 Mio. €. Und im Kleingedruckten steht wie immer das beste: Die Lizenzzeit wird vor Ablauf ohne jede Neuverhandlung bis 2024 verlängert.